Peter und Luise Hager-Preis 2022 - Nicht-Tun


1. Preis: Jihoon Jung »Deaf«; 2. Preis: Sarah Niecke »Sie tun nichts, sie wollen nur spielen!«; 3. Preis: Irina Schulze »There is (no) glory in prevention«

 

Am 11. Februar 2022 wurden in der Galerie der HBKsaar die diesjährigen Preisträger*innen des Peter und Luise Hager-Preises gekürt. Das Thema des Preises lautete dieses Mal  »Nicht-Tun«. Unter zehn Finalist*innen wurden drei Gewinner*innen ausgewählt. Die Preisverleihung wurde online per Live-Stream übertragen.

Die Ausstellung zum Hager-Preis ist vom 15. bis 25. Februar, jeweils von Dienstag bis Freitag von 17 bis 20 Uhr in der Galerie der HBKsaar geöffnet. Es gilt die 2G-Plus-Regelung, Geboosterte sind von der Testpflicht ausgenommen, es herrscht Maskenpflicht. 

 

Bild: Auszug aus »Deaf«,© Jihoon Jung

Fotos © Manuela Meyer

 

Schon zum 11. Mal verleiht die Peter und Luise Hager-Stiftung gemeinsam mit der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBKsaar) den Peter und Luise Hager-Preis an HBKsaar-Studierende. Nun stehen die Gewinner*innen von diesem Jahr fest: 1. Preis geht an Jihoon Jung für seine Animation und Zeichnungen »Deaf«, den 2. Preis holt sich Sarah Niecke für die Videoinstallation, Fotografien und Videoperfomance unter dem Titel »Sie tun nichts, sie wollen nur spielen!« und Irina  Schulze wurde für ihr Objekt »There is (no) glory in prevention« mit dem 3. Platz ausgezeichnet.

Das diesjährige Thema des Hager-Preises lautete »Nicht-Tun«, ein komplexes Thema, das sich mit Fragen in Bezug auf aktives Tun oder der Negation von Aktion und Reaktion beschäftigt. Insgesamt wurden 54 Beiträge eingereicht. Unter diesen Einreichungen wählte die siebenköpfige Jury zehn Finalist*innen aus, die ihre Werke in der Galerie der HBKsaar präsentieren. Am Freitagabend wurden dann die Preisträger*innen gekürt. Aufgrund der Coronapandemie fand die Verleihung nicht öffentlich statt, Interessierte konnten die Preisverleihung jedoch live über Onlinestream mitverfolgen.

 

Jihoon Jung befasst sich in seinem Stop-Motion-Video damit, wie es zu politischem Nicht-Tun führt, wenn sich Medien gegenüber politsicher Unterdrückung taub stellen: »Deaf«. Die Bildsprache des Videos greift symbolgeladene Daten der Hongkonger Demokratiebewegung auf. Seit »20 19«, dem Jahr der Erhebung, steht die Zeit still, weil das Problem nicht gelöst ist. Bald darauf sehen wir einen wie defekt rasenden Zeiger einer Uhr. Alptraumartig gleitet diese Bewegung über in das rotierende Überwachungsleuchten im Innenhof einer Gefängnisanlage. Licht dringt in eine Gefängniszelle, ohne Erleuchtung zu bringen. Das aus vielen Einzelzeichnungen erzeugte Bildergleiten wird weiter verdichtet durch die Musik. Eine drängende Tonvariation der Noten d, e, a, f vermittelt den Stress hochgeladener Gegenwart ohne Erholungsphasen. Die Jury erkannte dieser scheinbar einfachen, hochkomplexen audio-visuellen Komposition von Jihoon Jung den ersten Preis zu. Der 1. Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.

Die Videoinstallation von Sarah Niecke zieht uns in virtuoser Multimedialität mit Fototafeln, realer Häkeldecke und Video hinein in ein eigenartiges Geschehen. Ein Mensch und ein Hund rangeln um eine »Würstchenkette«. Offenbar ist dabei der Hund nicht das Spielzeug des Menschen. Die Beziehung – das Ziehen und Nachgeben – ergibt sich als sanftes Gezerre an den zwei Enden des Hundespielzeugs, das beide in ihren Zähnen halten. Wie sieht die Mensch-Tier-Beziehung außerhalb von Machtausübung gegen das Tier aus? Muss der Mensch zubeißend grimassieren, um mit dem Hund wirklich zu spielen? Dabei den äugenden Hund selbst im Auge behalten, so dass der nichts tut und alles Spiel bleibt? Wenn Hundebesitzer ihrem freilaufenden Tier hinterherrufen: »Der tut nichts, der will nur spielen«, ist jedenfalls alles Spiel vorbei, es folgt eine der typischen Mirko-Konfrontationen des Alltags. Sarah Niecke gelingt etwas ganz Anderes, ebenso anziehend wie irritierend. Indem Sarah Niecke das Hundeverhalten spiegelt und den Hund nicht als Objekt, sondern als Gegenüber behandelt, wirft Niecke die schöne und abgründige Frage auf, wie tief die Mensch-Tier-Verwandtschaft reicht. Die Jury war beeindruckt wie lustig und klug dieser Selbstversuch mit Hund geriet und vergab den zweiten Preis an Sarah Niecke, welcher mit 3.000 Euro einhergeht.

Irina Schulze hat eine Krone (lateinisch: Corona) auf ein samtenes Prachtkissen platziert. Was zuerst an Reichsinsignien oder eine Reliquie aus karolingischer Zeit denken lässt, ist ganz aktuell und banal aus benutzten Corona-Schnelltests zusammengesetzt. Alle weißen Plastikteile tragen eine handschriftliche Nummerierung. Sie stammen aus einer Grundschule, in der über Monate durch gewissenhaftes Testen und Abstandhalten den Kleinen erspart wurde, isoliert zu Hause bleiben zu müssen. Auf den ersten Blick wirkt der Widerspruch zwischen der pathetisch-historischen Präsentation und dem medizinischen Wegwerfplastik wie ein bitterer Witz. Aber die unsichtbare Mühe der vielen Namenlosen, die unermüdlich wieder und wieder getestet und geduldig Kinder auf Abstand zueinander gehalten haben, ist sehr beachtlich. Das ist keine imperiale Großtat eines legendären Einzelnen, sondern kollektives, stillschweigendes Handeln. Symbolisch verdient auch das eine Krone, wenn auch aus abgenutztem Plastik. Die spielerisch-witzige und doch nachdenkliche Verkehrung und Verschränkung von pathetischer Symbolik mit scheinbar unwichtigen Alltagsmaterialen überzeugte die Jury und sprach Irina Schultze den dritten Preis zu. Der 3. Platz geht mit einem Preisgeld von 2.000 Euro einher.

Neben den drei Gewinner*innen werden ebenfalls die Werke der anderen Finalist*innen in Ausstellung gezeigt.  Zu ihnen gehören Carlos Alberto Molina Castillo, Céline Gieseler, Ivan Labalestra, Johee Oh, Sandra Romina Pölger, Marika Pyrszel und Yining Tang. Sie erhalten jeweils eine Aufwandsentschädigung von 500 Euro. 

Zu den diesjährigen Jurymitgliedern zählten Evi Hager (Peter und Luise Hager-Stiftung), Susanne Trockle (Peter und Luise Hager-Stiftung), Dr. Andrea Weber (Saarländische Galerie, Berlin), Dr. Sebastian Baden (Kunsthalle Mannheim) und von der HBKsaar Prof. Dr. Matthias Winzen, Prof. Ivica Maksimovic und Prof. Georg Winter.

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